Seit Jahren ist hier ein großes Problem entstanden. Kardiologische Kliniken drängen immer mehr in die "ambulante" Tätigkeit. Im Klinikdeutsch heisst das "neue Behandlungsfelder gewinnen". Durch die Fortentwicklung der Technik - insbesondere durch den radialen Zugangsweg, können Herzkatheteruntersuchungen sehr gut in den meisten elektiven Fällen ambulant durchgeführt werden. Der Streit ist aber: Wer darf das machen? Was ist denn eigentlich ambulant?
Viele Krankenhäuser (Häuser mit persönlicher Ermächtigung eines dort tätigen Arztes ausgenommen) beziehen sich auf SGB 115b und glauben damit ambulante Untersuchungen machen zu dürfen (Info was ambulant ist der KV hier)
Was soll denn die Scheinfarbe? - Macht doch keine Unterschied - oder doch?
Eine kardiologische Klinik rechnet eine diagnostische Herzkatheteruntersuchung nach der deutschen Fallpauschale DRG F49 ab (weil sie einen roten Schein hat - rechtlich dürfte kaum Fälle haben mit roten Schein). Weil der Eingriff am gleichen Tag vorgenommen wird und der Patient am gleichen Tag entlassen wird, unterschreitet der Fall die untere Verweildauer der DRG. Somit kann die Klinik z.B. im Jahr 2017 ca. 1449 Euro pro Einzelfall abrechnen.
Ein niedergelassener invasiver Kardiologe rechnet für den gleichen Patienten und für die gleiche Leistung und Tätigkeit nach EBM 01520 (Überwachung),34291(Eingriff) und 40300(Sachkosten) ab und erhält eine Gesamtvergütung von 623 Euro.
Diese Differenz beträgt 826 Euro. Die Scheinfarbe macht also 58% mehr Erlös für eine Klinik aus - für eine Untersuchung, die Sie gar nicht hätte machen dürfen (siehe ebfalls weiter unten Erleuterung des Urteils).
Geht man von den offiziellen Zahlen des deutschen Herzberichts aus (Im Jahr 2016 wurden ca. 897.939 Herzkatheteruntersuchungen durchgeführt und 520.176 waren diagnostisch (Vertragsärzte 14,9% der Untersuchungen = 72824), dann macht das einen "Mehrerlös" von 369.512.752 Euro für Kliniken in Deutschland aus - den die Solidargemeinschaft bezahlt. Ob man diesen "Mehrerlös" Abrechnungsbetrug nennen kann, soll man sich sein eigenes Urteil machen.
Zusätzlich wird über Fallsplitting (siehe hier bei der Grafik) noch einmal ein "Mehrerlös" von 134.200.754 Euro in deutschen Kliniken "erwirtschaftet".
Alles zusammen 500 Millionen Euro, die die Solidargemeinschaft zu tragen hat.
Man könnte fast in Versuchung kommen, dem neuen Gesundheitsminister Spahn zuzurufen: "Würde man gleiche Leistung (Herzkathetervergütung angleichen) mit gleichem Salär vergüten oder die bestehende rechtliche Gesamtlage durchdeklinieren, dann würde das Gesundheitssystem fast 500 Millionen Euro für mehr Pflege oder Krankenhausneubauten schlagartig zur Verfügung haben ohne Beitragserhöhungen zu veranlassen"
Um den Streit zwischen Vertragsärzten und kardiologischen Kliniken zu präzisieren hat der GBA eine Krankenhauseinweisung Richtlinie 2015 erlassen: GBA Richtline "ambulant vor stationär".
Über Jahre stritten invasiv tätige Vertragsärzte mit kardiologischen Kliniken und ihren Chefärzten über die oben erklärten "Mehrerlöse". Chefärzte bestanden darauf, das sie allein die Rechtmäßigkeit von diesen beurteilen können - weil es Ihre Abteilungen sind (Chefärzte sind auch nur angestellte Ärzte und somit gehört ihnen die Abteilung nicht).
Jetzt gibt es endlich unabhängige Urteile der Justiz bis hin zu Landesobergerichten in Deutschland zu dem Thema - Chefärzte können sich warm anziehen nach diesen Urteilen:
Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen, Az.: L 4 KR 15/10
"Das LSG stellte fest, dass zwischen den Parteien unstreitig sei, dass die Herzkatheteruntersuchung in der Regel Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung und daher ambulant durchzuführen sei."
Was heisst das auf Deutsch? Selbst die klagende Klinik gibt zu, das eine Herzkatheteruntersuchung ob man sie jetzt ambulant, teilstationär oder stationär am gleichen Tag nennt, eine vertragsärztliche Versorgungstätigkeit ist.
Was heisst das für die Praxis?
Wenn es einen invasiv tätige vertragsärztliche Kollegen in einem KV Bereich gibt, dann müssen diese primär die Herzkatheteruntersuchungen durchführen. Kliniken die elektive Herzkatheter durchführen - ohne mit diesen Kollegen Rücksprache zu halten - gehen Gefahr, die Leistung überhaupt nicht vergütet zu bekommen. Der zuweisende Kardiologe, Internist oder Hausarzt hat dies ebenfalls zu beachten.
Ja richtig, das führt zu weniger Einnahmen in Klinken, aber nur von Einnahmen, die sie so schon seit Jahren gar nicht haben dürften - siehe hier für weitere Urteile. Es gibt auch kein einziges Urteil in dem Kliniken Vertragsärzten oder Krankenkassen wiedersprochen haben, das eine Herzkatheteruntersuchung primär eine vertragsärztliche Leistung ist.
Natürlich kann ein Patient sich jederzeit auch für ein Krankenhaus stationär entscheiden. Die Mehrkosten zwischen der vertragsärztlichen Leistung und dem Krankenhaus, kann aber natürlich nicht die Solidargemeinschaft übernehmen und kann z.B. dem Patienten als Selbstzahlerbeitrag berechnet werden.
Es gibt sicherlich Gebiet in Deutschland, die keine vertragsärztliche invasive Herzkatheterversorgung haben. Hierfür gibt es dann die Möglichkeit das ein Krankenhaus eine persönliche Ermächtigung (hier hier mehr) erhält. Aber in der Regel wird in den Kliniken viel zu viel gemacht. Glaubt man nicht? Gerne mal hier lesen.
Praxisfrage:
Wie könnte eine kardiologische Klinik nach Kenntnis dieser Fakten handeln? (Mediziner kennen multiple Choice noch aus dem Studium)
a) Wir wollen die Solidargemeinschaft nicht schaden und versuchen den Herzkatheter ambulant von einem Vertragsarzt durchführen zu lassen.
b) Wir wollen die Solidargemeinschaft nicht schaden und rechnen nur den Satz den auch der Vertragsarzt bekommt ab, die Differenz muss der Patient bezahlen als Selbstzahlerleistung.
c) Wir interessieren uns nicht für die GBA Richtlinie und machen die Herzkatheter teilstationär mit roten Schein weiter. Wir können auf den wirtschaftlichen Mehrerlös nicht zugunsten der Solidargemeinschaft verzichten.
d) Was wir seit Jahren machen kann doch nicht verkehrt sein.
Neue kreative Ideen von unseren Chefärzten
Hierzu haben wir jetzt Chefärzte neue kreative Ideen wieder einmal gehabt, wie man mit der Überweisung niergelassene Kollegen strafbar macht ("Beihilfe zum Betrug"). Ein wieder mal natürlich nur rein hypotetisches Beispiel.
Der Patient wird in Abteilung A, in die er wegen erhöhter Leberenzyme eingeliefert wird und nachdem man alles gemacht hat, was die Gastro Seite her gibt, festgestellt, das er eine EF von 20% hat. Invasiv wurde Wochen zuvor erst eine KHK ausgeschlossen. Deshalb soll ein Kardio MRT gemacht werden. Der Patient wird entlassen mit Termin für ein KardioMRT 2 Tage nach der Entlassung. Deshalb soll der behandelnde niedergelassene Kardiologe eine stationäre Einweisung in eine andere Klinik ausstellen zum KardioMRT (Die Klinik A hat keines). Dann soll er sich mit dem Befund wieder in der Klinik A vorstellen in der Kardiologie um die weitere stationäre Therapie fortzusetzen??????? Was steckt dahinter? Man möchte keine DRG zwischen Kardio und Gastro teilen und man möchte die Kardio MRT Untersuchung nicht teilen. Was wäre rechtlich korrekt? Der Patient wird aus der Klinik A in der Klinik B vorgestellt als poststationärer Patient und anschließend wieder aufgenommen zur weiteren Therapie in Klinik A. Dann würde es nur eine komplette DRG geben für Klinik A aus der sie dann auch das KardioMRT der Klinik B bezahlen müsste.
So würde jeder Hausarzt bzw Kardiologe sich der Beihilfe zum Betrug strafbar machen, wenn er die stationäre Einwieung ausstellt, weil er ja prüfen muss, ob das Vorgehen korrekt ist - und bei StGB hilft Unwissenheit nicht....