Kardiologie und Recht
Kardiologie und Recht

Der magische Satz

"Wir bitten um Wiedervorstellung zur geplanten PCI der LCX  am XX.XX.XXXX (6 Wochen nach Entlassung) mit Einweisungsschein."

 

Ein einfacher Satz, und doch magisch, weil in Ihm so viele Fehler stecken. Und man liest ihn jeden Tag mindestens einmal in Arztbriefen aus Kliniken. Aber was kann daran falsch sein?

In diesem Satz wird zuerst gegen §299a verstossen, denn es wird hier eine Lenkung von Patientenstrom durchgeführt. Und durch die Lenkung erhält die Klinik mehr Erlös - profitiert also finanziell. Somit ist Paragraph §299a Absatz 3 (Zuführung von Patienten). Die Klinik könnte schreiben "es sollte noch eine Intervention der LCX durchgeführt werden, wir stehen hierfür gerne zur Verfügung". Aber Sie lenkt den Patienten und vergibt schon einen festen Termin in der Zukunft.

 

Desweiteren verstößt die Klinik gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot. Sie wäre bei medizinischer Wahlmöglichkeit gezwungen, sich für die wirtschaftlicher Ablauf zu entscheiden.

 

Dritter Fehler ist, dass man einen elektiven Eingriff stationär durchführen möchte ohne sich vorher mit einem vertragsärztlichen Kollegen abzusprechen, denn für elektive Eingriffe gilt die GBA Richtlinie "ambulant vor stationär".

 

Durch das verschieben um 6 Wochen, wird ein neuer Fall im DRG erzeugt und die Klinik erhält erneut zusätzliche Zahlung. Das fällt auch unter das Wirtschaftlichkeitsgebot.

Ein rein fiktives Beispiel, was natürlich nirgendwo vorkommt: ein Patient kommt in die Klinik mit einem Thoraxschmerz und hat in der Klinik ein erhöhtes Troponin. Er wird als NSTEMI kathetert und die LAD wird interveniert. Die Klinik erhält die F52A Erlössituation mit 9.313.70 Euro. Die Klinik beläst das zweite Gefäß der LCX für ein zweizeitiges Vorgehen. Natürlich klärt man den Patienten hierüber umfassend auf (In der Praxis erlebe ich 99,9% der Patienten, die keinesfalls aufgeklärt, sind, dass noch eine hochgradige Engstelle vorhanden ist) und schreibt das auch in den Arztbrief rein (auch das erlebe ich seltenst), das es noch eine relevante Stenose gibt. Die Klinik entläßt den Patienten und er kommt 6 Wochen später mit einer neuen Einweisung eines niedergelassenen Kollegen in die Klinik. Jetzt bekommt die Klinik hierfür erneut über die F58B eine DRG Erlöszahlung von 3.307,80 Euro (wir merken uns die Zahl).

Fiktiv kann die Klinik auch schreiben:" auf Wunsch des Patienten" - natürlich setzt das voraus, das der Patient über alternative Möglichkeiten, bei anderen Kollegen oder Kliniken aufgeklärt wurde, und die Entscheidungsfreiheit (insbesondere Bedenkzeit) hat.

 

Um das aber machen zu können benötigt, die Klinik eine Einweisung (roten Schein), und fordert damit den zuweisenden Kollegen - der meistens gar nicht versteht, was in dem Satz sich versteckt - zur Mittäterschaft auf.

 

Wenn man glaubt, das wären Einzelfälle lohnt sich ein Blick in den Qualitätsbericht über Herzkatheter 2015. Hier erkennt man einen merkwürdigen Peak nach 6 Wochen (Entsprechend 10,74 Prozent der GesamtPCIs). Man könnte also schlimmes denken und fast von regelmäßigen Fehlverhalten gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot, GBA Richtlinie und §299a Abs3 ausgehen. Natürlich ist das alles nur Zufall und betrifft nie die Kliniken, die man hierzu befragt.

 

Wenn man von den 377.763 Interventionen im Jahr 2017 (gem. Herzreport) in Deutschland ausgeht und hiervon 10,74% = 40.571 (Eingriffe 6-8 Wochen nach Erst PCI) mit 3.307,80 Euro multipliziert (DRG F58B- haben wir noch im Speicher), dann kommt man auf eine Gesamtsumme von 134.200.754 Euro. Das ist der Mehrerlös durch das Fallsplitting in Deutschland und dürfte laut dem Wirtschaftlichkeitsgebot gar nicht stattfinden - oder?

Empfehlung für die Praxis:

Wenn man diesen Satz in einem Entlassbrief liest, dann empfehlen wir, dem Patienten eine Liste von vertragsärztlichen invasiven Kollegen zu benennen, bei denen der Eingriff auch durchgeführt werden kann. Würde man einen Einzelnen nennen (Ausnahme es gibt keinen anderen in dem KV Gebiet), dann wäre auch das eine Lenkung von Patientenströmen. Alternativ kann man hier noch Kliniken aufzählen, in denen der Eingriff durchgeführt werden kann - da kann auch die initiale Klinik mitgenannt werden. Entscheidend ist, das der Patient eine Wahlfreiheit hat.